Paradoxe Interventionen im Verkauf

Zielerreichung durch Verwirrung

Es war mein 1. Jahr im Pharmaaussendienst. Ich war 30 Jahre jung und brauchte das Geld. Diesen Arztbesuch hatte ich lange aufgeschoben. Wusste ich doch, dass diese Praxis wichtig und gleichzeitig als schwierig bzw. als Herausforderung unter Kollegen galt. „An den kommst du nicht heran. Er hat max. 10 Sekunden Zeit. Da darfst du nicht viel sagen. Da hast du keine Chance.“ Als Anfängerin ist Frau über jeden Tipp dankbar, auch wenn er noch so bescheuert ist.

Der Tag der Wahrheit kam. Mutig betrat ich die Praxis. Der Blick der Mitarbeiterin an der Rezeption ließ mich erschauern, doch ich blieb standhaft. Auf sämtliche Einwände hatte ich mich vorbereitet:

  • Die Praxis ist zu voll, keine Zeit.
  • Lassen Sie erst mal was da.
  • Heute geht es gar nicht.
  • Haben Sie einen Termin?
  • Kommen Sie nächste Woche wieder.

Zu meiner Überraschung wurde ich in einen kleinen Flur geführt und hörte einen neuen Satz von der Mitarbeiterin: „Bauen Sie schon mal auf.“

Damit konnte ich nichts anfangen. Das passte nicht in mein Einwand-Portfolio. So blieb ich stocksteif stehen und fing an nachzudenken. „Was um alles in der Welt soll ich aufbauen?“ Nach einiger Zeit kam die inzwischen leicht genervte Mitarbeiterin wieder vorbei und sagte: „Sie haben ja noch gar nicht aufgebaut.“ Sprach` s und verschwand. Ich für meinen Teil wusste immer noch nicht, was ich aufbauen soll. So drifteten meine Gedanken ab in die Kindheit. Ich dachte an Bauklötze, Türmchen und die tollen Legohäuser, die meine Schwester gebaut hatte. Erneut flitze die Mitarbeiterin an mir vorbei. Kam zurück und blaffte mich an, das ich jetzt endlich aufbauen solle.

So schon mal gar nicht. Ich baue auf, wenn ich das will. Vorher möchte ich jetzt endlich wissen: WAS?

Dann kam er. Der Arzt, vor dem mich alle gewarnt hatten. Er schaute mich an, dann den leeren Tisch, wo nichts aufgebaut war und dann schaute er wieder mich an. Das Ganze passierte nonverbal ohne Worte, beidseitig. Ich schwieg – er schwieg.

Ich brach das Schweigen (Achtung, jetzt kommt die paradoxe Intervention) und sagte:

 „Wenn das so ist, dass Sie hier der Oberförster sind, dann stell` n wir das Reh halt wieder hin.“

Gerne wäre ich im Erdboden versunken. Ich schwieg und dachte an einen Kollegen, der gesagt hatte, dass jeder Pharmareferent einmal aus einer Praxis fliegen würde. Ich für meinen Teil hatte dies nicht vor. In diesem Moment dachte ich allerdings: Jetzt fliegst du doch….

Ich schwieg beharrlich. Er auch. Dann fing der Arzt an zu lachen und sagte: „Was haben Sie gerade gesagt?“ Ich: „Nichts.“ Und schwieg beharrlich weiter. „Doch Sie haben etwas vom Förster gesagt.“ Ich: …..

Der Arzt kam aus dem Lachen nicht mehr heraus. „Kommen Sie mal mit, dass hat ja noch nie jemand zu mir gesagt.“ Sprach` s und nahm mich mit ins Beratungszimmer. Ab jetzt hatten wir eine Kommunikation auf Augenhöhe. Ich sagte ihm den Oberförster-Satz, er schrieb ihn mit einem Lachen auf, anschließend fragte er mich nach dem Grund meines Besuches. Wir sprachen über die Präparate, die in meiner Tasche schlummerten. Ganz ehrlich sagte er mir, was er einsetzen würde und was nicht. Damit konnte ich nach unserem primären Gespräch sehr gut leben. Mit einem freundlichen Handshake wurde ich von ihm verabschiedet.

Als ich ging, war die Mitarbeiterin stinkesauer und ermahnte mich mit den Worten: „Nächstes Mal bauen Sie aber gleich auf!“ Das, habe ich bei keinem meiner Besuche getan.

Eine Paradoxe Intervention ist, wie eine Musterunterbrechung. Sie tun etwas, womit Sie Ihr Gegenüber irritieren, weil es nicht der Norm entspricht oder wiedersinnig ist.  Genau diese Abweichung vom normalen Handeln schafft Aufmerksamkeit und gibt dem Gespräch eine neue Richtung. Die gewohnte Abfolge aus Aktion und Reaktion wird unterbrochen. Sie erreichen Ihre Ziele dadurch schneller.

Diese Methode eignet sich ebenfalls zur Konfliktlösung. Ihre Kundschaft beschwert sich und rechnet damit, dass Sie sich rechtfertigen oder herausreden. Sie sagen einfach: „Stimmt. Sie haben Recht.“ Ihr Schuldeingeständnis entschärft blitzschnell die Situation.

Noch ein Beziehungsbeispiel?
Sie wollen ins Kino. Ihr Partner nicht. Gehen wir jetzt davon aus, dass Sie normalerweise auf ihn einreden: Nie willst du mit … usw. Heute sagen Sie einfach: Ok. Ich wollte sowieso lieber alleine gehen. Oder Sie nehmen eine Wasserpistole und machen ihn nass. (letzteres war ein Scherz und gleichzeitig ist es auch eine paradoxe Intervention).

Fazit
Erlauben Sie sich ruhig einmal anders zu handeln, anderen Input zu geben und seien Sie gespannt auf die Reaktion Ihres Gegenübers und, wie Sie Ihren eigenen Zielen dadurch näher kommen. Abweichung von der Norm schafft Aufmerksamkeit. Und diese ist das A und O in einer erfolgreichen Kommunikation. Frei nach dem Motto: Wenn Sie etwas haben wollen, dass Sie bisher noch nicht gehabt haben, dann tun Sie etwas, dass Sie bisher noch nicht getan haben.

Viel Spaß und Erfolg beim Paradox sein wünscht

Susanne Henneke

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